H A M L E T Inhalt | Personenübersicht | Akt I, Szene IV

 
Akt I, Szene III
Ein Zimmer im Hause des Polonius.
  Laërtes und Ophelia treten auf.
 
Laërtes: Meine Habseligkeiten sind eingeschifft; lebe wohl, und Schwester, wenn die Winde günstig wehn, und ein Schiff bereit ist, schlafe nicht, nein, laß mich von Dir hören.
Ophelia: Zweifelst Du daran?
Laërtes: Was Hamlet und die Tändelei seiner Neigung betrifft, nimm sie für Modebrauch, für ein Spielzeug heißen Bluts; ein Veilchen im Frühling der Jugend, vergänglich, nicht bleibend; süß, nicht dauernd, Duft und Zeitvertreib für einen Augenblick; nicht mehr.
Ophelia: Nicht mehr als das?
Laërtes: Halt' es nicht für mehr; denn die sich entwickelnde Natur wächst nicht nur an Leib und Körper, sondern, wie dieser Tempel sich vergrößert, wächst mit ihm gleichzeitig das innre Leben des Geistes und der Seele. Vielleicht liebt er Euch jetzt, und ist die Tugend seiner Absichten weder durch Unreinheit noch Untreue beschmutzt; aber Du mußt seine gewichtige Stellung fürchten, sein Wille ist nicht sein eigner; denn er selbst ist Sklave seiner Geburt; er kann nicht wie unbedeutende Personen für sich selbst wählen; denn es hängt von seiner Wahl die Sicherheit und das Heil eines ganzen Staates ab, und deshalb muß seine Wahl durch die Stimme und das Zugeständnis des Körpers beschränkt sein, dessen Haupt er ist. Drum, wenn er sagt, er liebe Euch, ist es Eurer Klugheit gemäß, das insoweit zu glauben, als er in seiner besonderen Stellung das Versprochene erfüllen kann; was nicht weiter ist, als wie die gesamte Stimme Dänemarks gleichzeitig geht. - Dann erwäge, welchen Verlust Deine Ehre leiden kann, wenn Du mit zu gläubigem Ohr seinen Worten lauschest, oder Dein Herz verlierst, oder Deinen keuschen Schatz seinem unbezwinglichem Drängen öffnest.
  Das fürchte, Ophelia, fürchte das, meine teure Schwester, und halte Deine Neigung im zweiten Treffen außerhalb Schußweite und der Gefahr des Verlangens. - Das zurückhaltenste Mädchen ist verschwenderisch genung, wenn sie vor dem Monde ihre Schönheit entlarvt; die Tugend selbst entgeht nicht verleumderischen Streichen. Der Wurm verzehrt oft die Kinder des Frühlings, bevor sich ihre Knospen erschlossen, und dem flüssigen Tau des Morgens wie der Jugend sind ansteckende Lüfte immer nahe. - Sei denn vorsichtig; die die größte Sicherheit liegt in der Furcht; Jugend empört sich gegen sich selbst, wenn schon außerdem kein anderer nahe.
Ophelia: Die Wirkung dieser guten Lehre wird mein Herz bewachen: Doch, guter Bruder, handle nicht wie mancher ehrlose Priester, und zeige mir den jähen und dornigen Weg zum Himmel, dieweil er selbst wie ein stolzer und sorgloser Freigeist den blumigen Pfad der Liebelei betritt und des eignen Rates nicht achtet.
Laërtes: O, fürchte nichts; ich weile zu lange; aber hier kommt mein Vater.
  Polonius tritt auf.
  Ein zweifacher Segen ist ein doppeltes Glück, die Gelegenheit begünstigt einen zweiten Abschied.
Polonius: Noch hier, Laërtes! An Bord, an Bord, schäme Dich, der Wind weht im Rücken Deines Schiffes und Du stehst stehst noch hier; - mein Segen mit Dir. (Seine Hand auf Laërtes Haupt legend.) Und diese wenigen Regeln suche Deinem Gedächtnis einzuprägen. Leihe deinen Gedanken nicht Sprache noch die Tat jeder unangemessenen Idee. Sei freundlich, aber mache Dich nie gemein. Hast Du Freunde, und ihre Treue erprobt, so bewahre sie Deiner Seele mit ehernen Klammern, aber schwäche nicht Deinen Sieg durch Gemeinschaft mit jedem neugebacknen, unreifen Kameraden. Hüte Dich vor Streit, einmal darin, führ ihn so, daß sich der Gegner vor Dir wehren mag. Höre jeden, spreche aber mit wenigen, beachte jedermanns Urteil, aber bewahre das Deine. Deine Kleidung, kostbar wie sie Deine Börse bezahlen kann, verrate keine Grille; es sei reich, aber nicht bunt, denn das Kleid verkündet oft den Mann; und in Frankreich ist alles, was Rang und Stellung besitzt, vorzüglich hierin, gewählt und edel. Sei weder Schuldner noch Gläubiger, auch schwächt das Borgen den Segen der Sparsamkeit. - Über alles aber --- sei Dir selbst treu, dem muß wie die Nacht dem Tage folgen, Du kannst keinen andern betrügen. Lebe wohl; laß mein Segen dies in Dir reifen!
Laërtes: In Demut nehm' ich Abschied, mein Lord.
Polonius: Die Zeit fordert Dich; geh, Deine Diener harren.
Laërtes: Leb wohl, Ophelia, und sei dessen eingedenk, was ich Dir gesagt habe.
Ophelia: Es ist in mein Gedächtnis geschlossen, und Du selbst sollst den Schlüssel dazu bewahren.
Laërtes: Lebe wohl.
  Laërtes ab.
Polonius: Was hat er Dir gesagt, Ophelia?
Ophelia: So es Dich beruhigt, etwas, das den Prinzen Hamlet betrifft.
Polonius: Wahrlich, wohl bedacht; es ist mir erzählt worden, er habe Dich seit kurzem sehr oft besucht, und Du selbst seist während seiner Abwesenheit sehr frei und gütig. Wenn dem so ist - wie man mir erzählt, und das auf dem Wege der Warnung - so muß ich Dir sagen, Du erkennst Dich selbst nicht so deutlich, wie es meiner Tochter und Deiner Ehre geziemt. Was ist zwischen euch; gib mir Wahrheit darüber.
Ophelia: Mein Vater, er hat mich seit kurzem seiner Neigung zu mir versichert.
Polonius: Neigung? Pah! Du sprichst wie ein Kind, unvertraut mit so gefährlichen Verhältnissen; glaubst Du seinen Versicherungen, wie Du sie nennst?
Ophelia: Ich weiß nicht, mein Vater, was ich davon glauben soll.
Polonius: Wahrhaftig, ich will Dich belehren: Halte Dich für ein Kind, da Du seine Beteuerungen, welche nicht echt sind, für bare Münze genommen hast. Mache aus Dir selbst mehr - oder, um das arme Wort totzuwürgen - Du wirst mich zum Narren machen.
Ophelia: Mein Vater, er hat mich seiner Liebe in Ehr' und Sitte versichert.
Polonius: Ja, Sitte magst Du es nennen, geh nur, geh.
Ophelia: Und, mein Vater, er hat seinen Worten fast durch alle heiligen Eide des Himmels Gewicht verliehen.
Polonius: Ja, Sprenkel, um Vögel zu fangen. Ich weiß es, wenn das Blut kocht, wie verschwenderisch die Seele dann der Zunge Schwüre leiht. Diese Flamme, Tochter, mehr Licht wie Wärme gebend - und während des Versprechens in beiden schon erloschen - mußt Du nicht für Feuer halten. Von jetzt ab sei etwas karger mit Deiner jungfräulichen Gegenwart und setze auf Deine Unterhaltung einen höheren Preis, als den Befehl zu sprechen. Was Prinz Hamlet betrifft, so glaube so viel von ihm, daß er jung ist und daß er größerer Freiheit genießt, als Dir gestattet werden kann. Kurzum, Ophelia, glaube nicht seinen Schwüren; denn sie sind keine Unterhändler von der Farbe, welche ihr Kleid trägt, sondern nur Bettler mit unheiligen Bitten, wie reine und fromme Wünsche duftend, um besser zu betrügen. Vor allem - mit klaren Worten - ich will künftighin nicht haben, daß Du die Muße irgend eines Augenblicks durch einen Wortwechsel mit Prinz Hamlet schändest. Seh Dich vor, ich mach es Dir zur Pflicht; geh Deiner Wege.
Ophelia: Ich werde gehorchen, mein Vater.

 
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