H A M L E T Inhalt | Personenübersicht | Akt V, Szene I

 
Akt IV, Szene VII
Ein andres Zimmer im Schloß.
  König und Laërtes treten auf.
 
König: Besiegelt mit Vertraun jetzt meine Unschuld
Und schließt als Freund mich ein in Euer Herz,
Seit Ihr gehört, - und mit verständ'gem Ohr -
Daß, der den braven Vater Euch erschlug,
Nach meinem Leben trachtet.
Laërtes: Gut. Doch sagt mir,
Warum gen solche Tat Ihr nicht verfahren,
Die so strafbar, verbrecherischer Natur,
Daß Eure Hoheit, Weisheit, Sicherheit
Zum Zorn sie sonst gereizt.
König: Aus zweien Gründen!
Die kraftlos Dir vielleicht erscheinen werden,
Doch stark mir sind. Die Kön'gin, seine Mutter,
Lebt fast in seinen Blicken, und mir selbst,
- Sei's eine Wohltat, sei es Plage mir -
Ist sie durch Seel' und Leib so eng verbunden,
Daß wie der Stern nur kreist in seiner Sphäre,
Ich nur in ihrer Näh'. Der andre Grund,
Warum ich mied ein offnes Rechtsverfahren -
Des Pöbels große Liebe zu ihm ist's,
Der Hamlets Fehler taucht in seine Gunst,
Die - gleich dem Quell, der Holz in Stein verwandelt,
Aus Laster - Tugend macht; daß meine Pfeile,
Zu leicht gezimmert gegen Sturmeswind,
Zu meinem Bogen wiederkehren würde
Und treffen nicht, worauf ich hingezielt.
Laërtes: So ging ein edler Vater mir verloren,
Verzweifelt eine Schwester, deren Wert -
- Darf ich Gewesnes preisen - auf der Höhe
Jedweder Zeit - durch ihre Tugenden
Ausfordernd stand. Doch meine Rache kommt.
König: Deshalb schlaft ruhig; denken dürft Ihr nicht,
Daß aus so dummen Stoffe wir gemacht,
Um solch gefährlich Zupfen unsres Barts
Kurzweil zu nennen. Bald vernehmt Ihr mehr:
Wir liebten Euren Vater, liebten uns,
Und das, so hoff' ich, wird Euch denken lehren.
Wie nun? Was gibts?!
  Ein Bote tritt auf.
Bote: Briefe, Majestät, von Hamlet.
König: Von Hamlet? Wer brachte sie?
Bote: Man sagt, Matrosen, Herr; ich sah sie nicht;
Mir gab der Claudius sie, der sie empfing
Von denen, die sie brachten.
König: Laërtes, höre sie. - Verlaß uns jetzt.
  Bote ab.
  (liest) "Erhabner, Großmächtigster, erfahrt, daß ich nackt an Euer Königreich gesetzt bin. Morgen werd' ich um die Erlaubnis bitten, vor Euren königlichen Augen erscheinen zu dürfen, wo ich - zuvor Eure Verzeihung deshalb erbittend - die Ursach meiner plötzlichen, befremdenden Rückkehr mitteilen werde.
Hamlet."
  Was heißt das? Sind die andren auch zurück? Ist's nur ein Mißbrauch, und die Sache anders?
Laërtes: Kennt Ihr die Hand?
König: s'ist Hamlets Handschrift: "Nackt...",
Und in der Nachschrift hier sagt er: "Allein."
Könnt Ihr's erklären mir?
Laërtes: Ich bin verwirrt schon, Herr, doch laßt ihn kommen.
Ach, meinem kranken Herz tut es wohl,
Daß ich's ihm in die Zähne rufen werde:
"So tatest Du!"
König: Wenn es so ist, Laërtes,
Wie sollt' es nicht? Wie sollt' es anders sein?
Wollt Ihr gehorchen mir.
Laërtes: Ja, Majestät,
So Ihr zum Frieden nicht mich zwingen wollt.
König: Zu Deinem nur. Wenn er jetzt wiederkehrt,
Gehemmt auf seiner Reise und der Meinung,
Sie nicht aufs neu zu unternehmen, will
Versuchen ich, was jetzt in mir gereift,
Wobei ihm keine Wahl bleibt als zu fallen,
Sein Tod kein Lüftchen unsrer Schuld ausatmet,
Und seine Mutter selbst den Kniff verteidigt,
Von Zufall sprechend.
Laërtes: Herr, ich werd' gehorchen,
Und um so mehr, wenn Ihr die Absicht hegt,
Zum Werkzeug mich zu machen.
König: Trefflich geht's.
Man hat seit Eurer Reise viel gesprochen
Von einer Eigenschaft - in Hamlets Gegenwart -
Worin Ihr glänzen sollt; er hätt' beneidet
Um Eurer Eigenschaft keine Euch
So wie um diese, die in meinen Augen
Die unbedeutendste.
Laërtes: Herr, welche Eigenschaft ist das?
König: Ein buntes Band an eines Knaben Mütze,
Doch nötig auch; der Jugend steht nicht minder
Die leicht nachläss'ge Kleidung, die sie trägt,
Als Pelz und schwarze Tracht gesetztem Alter
Wohlsein und Ansehn gibt. - Zwei Monde sind's,
Seit ein nordmänn'scher Edelmann hier war.
Ich sah sie selbst und diente gen die Franken
Und kenn' als tücht'ge Reiter sie; doch dieser,
Ein Zaubrer war's, auf seinen Sitz gewachsen,
Bracht' er sein Pferd zu wunderbaren Dingen,
Als wär' verkörpert er, und eine Hälfte
Des braver Tiers; ging über die Begriffe
So weit, daß ich jetzt List und Ränke schmiedend,
Erwähne was er tat.
Laërtes: Ein Normann war's?
König: Ein Normann.
Laërtes: Bei meinem Leben, Lamord.
König: Derselbe.
Laërtes: Ich kenn' ihn wohl, er ist bei Gott der Schmuck,
Des ganzen Volks Juwel.
König: Von Euch berichtet er
Und gab Euch ein so meisterhaftes Urteil,
In Übung und Geschick sich zu verteid'gen,
Und ganz besonders in der Fechterkunst,
Daß laut er rief: Ein Wunder würd' es sein,
Wenn einer gleich Euch käm'; er schwor, die Fechter
Entbehrten Aug', Bewegung, Achtsamkeit,
Wenn Ihr der Gegner wärt. Herr, dieses Urteil
Vergiftete den Hamlet so mit Neid,
Daß er nichts tat als wünschen und erflehn,
Ihr kämet schnell zurück, mit ihm zu spielen.
Nun daraus -
Laërtes: Nun, was, Majestät, daraus?
König: War Euer Vater teuer Euch, Laërtes?
Gleicht einem Schmerzensbilde Ihr vielleicht?
Ein Antlitz ohne Herz!? -
Laërtes: Wozu die Frage?
König: Nicht zweifl' ich dran, Du liebtest Deinen Vater;
Nur weiß ich es, was Anfangs Liebe war,
Seh' es, wenn im Verlauf sie sich bewährt,
Daß Glut und Feuer durch die Zeit gemäßigt.
Es lebt selbst in der echten Liebesflamme
So Docht wie Schnuppe - was die Flamme schwächt;
Und nichts verbleibt von gleicher Güte stets;
Sie stirbt, wenn zur Vollblütigkeit sie wächst,
Am eigenen Zuviel. Was wir gewollt,
Wir sollten - wollten wir's - auch tun; dies "wollte"
Verzögert, schwächt sich, wechselt mannigfach
Wie Zung' und Hand, und wie Zufälligkeiten;
Und dann dies "sollte" gleichet einem Seufzer,
Der lindernd schmerzt. Doch zu des Schwären Wurzel:
Hamlet kommt an; was wollt Ihr unternehmen,
Euch in der Tat als Eures Vaters Sohn
Mehr als in Worten nur zu zeigen?
Laërtes: Ihn morden am Altar.
König: Kein Ort - bei Gott - sollt' einen Mord beschützen,
Frei muß die Rache schalten. Doch Laërtes,
Verschließt Euch jetzt in Euer Zimmer; Hamlet,
Sobald er heimkehrt, hört, Ihr seid zu Hause:
Man soll ihm rühmen Eure Fertigkeit,
Den Ruf mit Doppelfirnis überziehn,
Den Euch der Normann gab; bringt Euch zusammen
Und wettet dann auf Eure Kunst; er, sorglos
Und edelmütig, frei auch von Verdacht,
Wird nicht die Waffen proben, so daß ruhig,
Bei etwas Schlauheit, Ihr ein scharfes Schwert
Euch wählen mögt, und mit geschicktem Stoß
Zahlt ihm für Euren Vater.
Laërtes: Ja, das will ich:
Und zu dem Zweck werd' ich mein Schwert betünchen.
Quacksalber haben eine Salbe mir
Verkauft, so tödlich, daß ein Messer drin getaucht,
Sobald es Blut vergießt, - kein Umschlag dann,
Gemacht aus allen Kräutern auf der Erde,
Die heilsam sind, - das Ding vom Tod errettet,
Das nur damit geritzt; in dieses Gift
Tauch' ich die Spitze, daß - wenn kaum getroffen -
Er sterben mag.
König: Laß mehr uns das bedenken;
Erwägen, welche Zeit und welche Mittel
Geeignet unsrem Zweck. Wenn fehl es schlägt,
Aus böser Tat die wahre Absicht schaut,
Blieb's besser ungeschehn; drum unser Vorsatz
Sollt' einen Rückhalt haben, der uns sicher macht,
Wenn der nicht Probe hält. Hm, laßt mich sehn.
- Wir wetten feierlich auf Eure Kunst. -
Ich hab's! -
Wenn Ihr vom Kampfe heiß und durstig seid,
- Ihr macht zum Schlusse heft'ger Eure Stöße -
Und er zu trinken wünscht, werd' ich absichtlich
Den Kelch ihm reichen; nippt er nur davon -
Wenn Eurem gift'gen Stoß er auch entkommt -
Ist unser Zweck erreicht. Doch halt, welch Lärm?
  Königin tritt auf.
  Wie nun, teure Königin!
Königin: Ein Unglück tritt das andre auf die Ferse.
Laërtes, Eure Schwester ist ertrunken.
Laërtes: Weh mir, ertrunken? Wo?
Königin: Wo eine Weide sich zum Bache neigt,
In klarer Flut die grauen Blätter spiegelnd.
Die wollt' sie schmücken mit phantast'schen Kränzen
Von Maßlieb, Nesseln, Disteln, Purpurblumen,
Für die der Schäfer einen gröbern Namen,
Als keusche Mädchen, die "Mannsfinger" sagen;
Als dort sie klomm, um an gebeugte Zweige
Den Kranz zu hängen, brach ein neid'scher Ast,
Und nieder in die Flut, die weinende,
Sank sie mit ihrem Kranz. Es trug ihr Kleid,
Weitausgebreitet, sie meermädchengleich,
Dieweil sie Strophen alter Lieder sang,
Wie unempfindlich für ihr eignes Elend,
Gleich einem Wesen, das begabt, geboren
Von jenem Element; doch nur so lange
bis ihre Kleider satt und schwer getrunken,
Die Arme rissen aus melod'schen Liedern
In finstren Tod.
Laërtes: Weh, ist sie denn ertrunken?
Königin: Ertrunken, ja - ertrunken!
Laërtes: Ophelia, Arme, hast schon zu viel Wasser,
Drum unterdrück' ich meine Tränen; doch
Umsonst; auch die Natur hat ihre Rechte,
Sag, was sie will, die Scham; wenn diese fort,
Ist's mit dem Weib vorbei. Leb wohl, mein König.
Die Glut in mir, die freudig lodern möchte,
Erlosch in dieser Schwäche.
  Ab.
König: Laß, Gertrud, uns ihm folgen.
Viel gab's zu tun um seine Wut zu mindern,
Dies, fürcht' ich, gibt ihr einen neuen Ruck;
Drum laß uns folgen.
  Ab.

 
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